Geschichtsdetektivinnen: 68erinnen und Gorlebenfrauen.

50 und ein Jahr ist der Widerstand der 68er nun alt.  Gabriele Teckentrup, Psychoanalytikerin, Hamburg und Groß Heide, zählt selbst zu der Generation der 68er Frauen. In den 90er Jahren hat sie Frauen ihres einstigen politischen Umfelds interviewt, weil sie sich zunehmend darüber gewundert und empört hat, dass Frauen in den Publikationen über die sog. 68er als politisch gestaltende und entscheidungstragende Subjekte namentlich so gut wie nicht vorgekommen sind.

Vom Verharren zum Aufbruch in den Widerstand,

nennt Gabriele Teckentrup ihren Beitrag.  „Meine Intention war es, den Frauen der ‚68er Revolte‘, eine Sprache und damit einen Platz in der Geschichte dieser gesellschaftlichen Bewegung zu geben“, begründet sie ihr Thema.  „Dabei war es mir auch ein Anliegen, mehr darüber zu erfahren, ob und welchen Zusammenhang die Frauen sehen zwischen ihrem Aufbruch zum politischen Widerstand und den Einstellungen ihrer Eltern zum Nationalsozialismus und Krieg und zu deren möglicher Traumatisierung durch diese Erfahrungen.“

So hat Gabriele Teckentrup zwanzig Frauen der sog. Zweiten Generation interviewt, also Frauen, die in den 40er Jahren geboren sind und deren Eltern als sog. Erste Generation den Nationalsozialismus und den Krieg als Heranwachsende und Erwachsene miterlebt, mit erlitten und mit zu verantworten haben.

Leitend für die Interviews waren biographische Fragen, Fragen nach der Bedeutung des Nationalsozialismus und dessen Thematisierung in der Familie, nach Bildern und Erinnerungen über das Leben in den 50er und 60er Jahren, Fragen über Anlässe und Motive 1968 „mitzumachen“ und sich politisch einzumischen. Gefragt hat sie weiter nach der  Art ihres politischen Engagements und ihrer Stellung in der Organisation und wollte wissen, wie sie diese Erfahrungen im Rückblick bewerten - auch in Bezug auf ihre gegenwärtige Lebenssituation.

 

Teckentrup sagt: „In meinem Beitrag gehe ich von meinem psychoanalytischen Standort aus der Frage nach, welche Beweggründe dazu geführt haben mögen, dass Frauen 1968 gegen die bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen und Strukturen Widerstand geleistet haben und politisch aktiv geworden sind.“

In der Veranstaltung des ‚Archivs der unveröffentlichten Texte‘ wird Gabriele Teckentrup Auszüge aus ihren narrativen Interviews mit Frauen der zweiten Generation vortragen, über deren Motive vor 50 Jahren als  68-erinnenn mitzumachen, sprechen.

 

Genau vierzig Jahre her ist der legendäre Treck vom Wendland nach Hannover aus dem Jahr 1979. Wieder jährt sich der Widerstand im Wendland. Diesmal geht es um das „Empowerment von Frauen im Widerstand gegen die Atomanlagen in Gorleben“.

Hierzukommen die Gorleben-Frauen zu Wort

Anfang April, Ostern 1980 organisierten die „Gorleben-Frauen“ ein internationales Frauentreffen, zu dem mehr als 3.000 Frauen aus der gesamten Bundesrepublik kamen. Es gab einen Nachtspaziergang zum Bohrplatz, wo später das Atommüll-Zwischenlager gebaut wurde. Widerstand-Veteranin Lilo Wollny erinnerte sich 2010 an diese Aktion: „Der Weg zwischen dem Spielplatz, auf dem unser Treffen stattfand und der Bohrstelle war ein schmaler Trampelpfad, durch den verbrannten Wald entstanden – ich schätze die Entfernung betrug etwa 3 km. Es war stockfinster und man konnte höchstens zu zweit nebeneinander gehen. Wir warteten, bis die meisten Frauen sich auf den Weg gemacht hatten und setzten uns dann auch in Bewegung. Ab und zu leuchtete eine Fackel auf. Nur etwa jede 50. Frau hatte eine Fackel. Auf diese Weise erkannte man, dass die Reihe riesig lang war. (…) Doch als wir dann an der Bohrstelle ankamen und der Kreis aus Frauen sich um die wenigen ‚Bewacher‘ geschlossen hatte, war alle Angst verflogen, die Stimmung großartig. Die Bemühung, die eingebauten Wasserwerfer in Betrieb zu nehmen, geriet zu einem ziemlich kläglichen Versuch und wurde mit Gelächter und Spott aufgenommen. Es war fast 3 Uhr nachts, als wir endlich zuhause ankamen. (zit. Gorleben-Archiv)

Immer wieder kamen sie zusammen. Einige haben 30 oder sogar 40 Jahre Widerstand hinter sich. All ihre Kreativität ging in den Kampf gegen die Atomenergie.

2009 trafen die Gorleben-Frauen bei ihrem Treffen in Laase auf das Netzwerk „Miss Marples Schwestern“, das zum Ziel hat, Frauen in der Geschichtsschreibung sichtbar zu machen. (http://www.miss-marples.net). Bei dem Treffen in Laase wurde den Geschichtsdetektivinnen schnell klar, wie viele Frauen sich an Anti-Atom-Aktivitäten beteiligt haben. Die Geschichte der Gorleben-Frauen ist Teil der Geschichte des Widerstands.

Sie waren Feuer und Flamme. Damit die Geschichte und die Geschichten von Frauen, die im Widerstand aktiv wurden, nicht unter- und nicht verloren gehen, haben seit 2010 drei Frauen daran gearbeitet, die Erfahrungen der Frauen im Gorleben-Widerstand zu sichern.

Seither saß eine kleine Gruppe innerhalb der Miss-Marples-Schwestern daran, den Anteil der Gorleben-Frauen am Widerstand zu dokumentieren, um ihn für die Nachwelt zu bewahren. Seit 2010 haben sie etwa 40 Interviews mit den Gorleben-Frauen geführt. Inzwischen ist das Werk auf CDs gebrannt worden und 2018 dem Gorleben-Archiv übergeben worden.

„Das Archiv der unveröffentlichten Texte“ lädt ein, diese beeindruckende Interview-Sammlung kennen zu lernen. Es ist das erste Mal, dass ein Teil dieser großartigen Interviews über die Aktionen der Gorleben-Frauen der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Einige der interviewten Frauen werden ihre persönliche Entwicklung und ihre Geschichte im Widerstand vorstellen. Ihre gemeinsame Erfahrung von Solidarität, der Zusammenhalt und die Stärke der Frauen werden noch einmal erfahrbar. Dies hat zu einer Politisierung aller Beteiligten geführt, und nachhaltig zu einer Verantwortlichkeit für die Umwelt beigetragen.

Die Gorleben-Frauen wollen mit ihrem Auftritt auch die Leistung von „Miss Marples Schwestern“ würdigen. Denn ohne deren Idee und Engagement, ohne deren jahrelange Arbeit und die vielen gefahrenen Kilometer gäbe es die Dokumentation über den Widerstand der Frauen in Gorleben in dieser Form nicht.

Diese und ähnliche Geschichten werden erzählt, gelesen und diskutiert im „Archiv der unveröffentlichten Texte“. Und zwar am 29.3. um 19 h.

Wie immer in Groß Heide, Heider Chaussee 12, in der Gastwirtschaft von Sabine und Elfriede Schulz.

Hutkasse: Wir nehmen keinen Eintritt, bitten aber alle, die es ermöglichen  können um eine Spende ab 5 € pro Person.

Kommt und hört. Diskutiert mit uns die Geschichten aus der eigenen Familie. Es freuen sich auf Sie/Euch die Mitglieder des „Archivs der unveröffentlichten Texte“: Antje Busse, Monika Eckoldt, Nina El Karsheh, Dr. Sibylle Plogstedt, Dr. Cora Titz, alle aus Groß Heide.

Wer dem Archiv der unveröffentlichten Texte eigene Arbeiten überlassen will oder uns an den Schätzen aus Familienbesitz, verfasst von früheren Generationen, teilhaben lassen will, wende sich an: Dr. Sibylle Plogstedt, Heider Chaussee 7, 29451 Dannenberg. Tel: 05861-98 67 575, Mail: splogstedt@t-online.de.

Wann?

29.März 2019 | 19:00 Uhr

Wo?

Heider Chaussee 12, Große Heide, Gastwirtschaft Schulz