Groß Heide: Oder wie unsere Ortschronik entsteht.

Liebe Freundinnen und Freunde des Archivs der unveröffentlichten Texte
Am 17. Mai um 19:00 Uhr haben wir als Thema:
Groß Heide: Oder wie unsere Ortschronik entsteht.

Dazu haben wir Beate Hennings, unsere Nachbarin und einzige Bäuerin im Ort zu Gast.

Die Gemarkung Groß Heide liegt, bei einer Höhe von etwa 14,50 m über NN (Normal Null = Meeresspiegel), in der Jeetzelniederung und umfasst eine Fläche von ca. 556 ha. Der Deich am Jeetzelkanal (neue Jeetzel) wurde um 1960 fertig gestellt, er schützt Groß Heide vor dem Jeetzelhochwasser aus der Altmark und vor dem Rückstau der Elbe.
Ohne ihn würde das Dorf bei jedem Hochwasser absaufen. Es gibt sogar noch Bilder, auf denen Boote an dem Strommast vor dem Stall der Hennings festgemacht sind.

Die Flur umfasst folgende Bodenarten: Sand, anmooriger Sand, anlehmiger Sand und Moor, mit manchmal salzigem Grundwasser. Der Acker hat eine Bodenpunktzahl – das ist die amtlich festgestellte Bodenqualität - von durchschnittlich 24 bis 30 – nur einige wenige Flächen sind besser bewertet.

Von all dem schreibt Beate Hennings, die nun schon mehr als zwei Drittel ihres Lebens in Groß Heide zu Hause ist. Sie ist eine geborene Hesse, gebürtig in Platenlaase, also „nicht vom Hof kommend”, wie man sagt. Beate Hennings: „Nachdem ich meinen Mann am letzten Tag des Jahres 1978 kennengelernt habe, bin ich 1981 auf seinen Hof gezogen (Heinrich Hennings, Brst. 9). Im Dezember 1984 haben wir dann geheiratet. Wir bewirtschaften den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb seiner Vorfahren, die sich bis 1613 nachweislich zurückverfolgen lassen.“ Im Jahr 1989 hat Beate Hennings die Prüfung zur Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft abgelegt.

Dorf und Familie haben Beate Hennings immer interessiert. „1984 begann ich, den Stammbaum meines Mannes zu erstellen. Drei Jahre später begann ich mit dem Sammeln von Daten des Dorfes.“ Alles begann mit einem Fragebogen von Wolfgang Jürries, dem damaligen Kreisarchivar. Das war ca. 1985. Darin standen Fragen über die Niedersachsenhäuser und über das Handwerk in Groß Heide. „Auf einmal ging ich mit offenen Augen für die Fachwerkhäuser durch unser Dorf und versuchte, so gut es ging, seine Fragen zu beantworten. So begann ich mit dem Sammeln.“ Beate Hennings schrieb die noch lesbaren Giebelsprüche ab. „Was ich damit wollte, wusste ich noch nicht so recht. Im Dorf sprach sich herum, dass ich „so altes Zeug“ sammele. Von allen Seiten bekam ich Kopien von alten Fotos.“

Das Hochwasser des Jahres 2002 wurde für Beate Hennings zu einem weiteren Anstoß. Am 23. August wuchs es an zu dem ersten Jahrhunderthochwasser seit 1888 und 1895 und bedrohte das Dorf Groß Heide. Die Bäuerin, die die Zeit fürs Sammeln meist in die Wintermonate legen muss, erinnert sich an diese Flut: „Am Gerätehaus war gerade Schichtwechsel der Freiwilligen Feuerwehr Groß Heide (an einer Befüllstation für Sandsäcke in Neu Tramm) und bei der Deichwache an der Jeetzel zwischen Groß Heide und Weitsche. Zu solch einer Wache sind alle Einwohner verpflichtet. Müde und kaputt saßen wir am Gerätehaus und überlegten, was für Auswirkungen ein Deichbruch der Jeetzel wohl für unser Dorf haben würde. Neben den Schäden materieller Art würden auch viele Fotos und Dokumente verloren gehen. Wer könnte dann der nachfolgenden Generation noch etwas über Groß Heide erzählen? „Wer weiß in einhundert Jahren wohl noch etwas über unser Dorf“, fragte sich Beate Hennings.

Damals hat es sie wieder gepackt. Es war „dieses Kribbeln, etwas Altes wiederzuentdecken“. Nach dem Hochwasser fing Beate Hennings an, Fotos von den Hofstellen zu sammeln. Damals ging es ihr nur ums Sammeln. Von Schreiben war da noch keine Rede.

2013 kam wieder ein Hochwasser. Damals wurde auch dem Letzten im Dorf klar, dass etwas zur Sicherung des Wissens über Groß Heide geschehen musste. Sie sagten: „Beate, Du weißt so viel über Groß Heide. Nun bring es auch zu Papier!“

Beate Hennings wundert sich noch heute, was sie da neben all der Arbeit in der Landwirtschaft auf sich genommen hat. „Das mit dem Schreiben war leichter gesagt als getan. Die alte deutsche Schrift in den Kirchbüchern konnte ich lesen, die hatte ich in der Schule in Breselenz gelernt.“ Das Problem war für sie ein ganz anderes. „Je mehr ich herausfand, desto mehr wollte ich wissen.“ Das Schreiben wurde zum Kampf mit der Zeit. „Irgendwann musste ich feststellen, dass ich einfach nicht schnell genug war - ‚die Alten‘, die mir noch etwas von früher berichten konnten,
wurden immer weniger.“ So begann sie aufzuschreiben, was die, die noch lebten, ihr erzählten.

Beates Hennings Recherchen wurden immer umfangreicher. „Ich fuhr in verschiedene Archive, einige Male sogar in das Hauptstaatsarchiv in Hannover. Ich ging ins Kirchenbüro in Dannenberg und auch aus Haushaltsauflösungen wurde mir so manches übergeben.“

Das Werk wuchs, entwickelte sich immer mehr zu einer Chronik. Das erforderte technische Kenntnisse. „Alle Fotos und Dokumente von Groß Heide sind von mir eingescannt worden. Die Arbeit am PC erleichtert da vieles.“ Durch die Vergrößerung der deutschen Schrift wurden alte Dokumente und auch fast nicht mehr erkennbare Balkeninschriften wieder lesbar. So entstand ein Buch, welches im Jahr 1450 mit den ersten sechs Hufen beginnt und um das Jahr 1970 endet.

„In Groß Heide zu Hause“ wird der Titel von Beate Hennings Orts-Chronik sein. In chronologischer Reihenfolge entsteht das Bild von der Entwicklung des Dorfes während vieler Jahrhunderte. Beate Hennigs schreibt

  • von der Abhängigkeit des Dorfes vom Adelsgeschlecht Von dem Berge zu Gümse, mit allen Diensten und
    Pflichten
  • von der späteren Abhängigkeit vom Amt Dannenberg
  • von den Menschen in Groß Heide, von ihrem Leben, Geburten, Eheschließungen
  • von dem Sterben in Groß Heide, dem Ausbruch von Krankheiten und Seuchen
  • auch über den Rundling, denn Groß Heide ist ja bis heute ein halber Rundling
  • von der Salzquelle und den Salzadern, die bis nach Gorleben reichen und unterirdisch verbunden sind
  • auch über die große Zahl von Hochwassern
  • von dem Brand im Jahr 1834
  • von der Ablösung vom Amt Dannenberg
  • von der Verkoppelung der Feldmark und den Flurnahmen. Die macht sie mit Karten und Auszügen aus alten
    Dokumenten anschaulich.
  • über das Schulwesen im Dorf und die vielen Kneipen
  • von den Generationen auf jeder alten Hofstelle, verbunden mit Fotos dieser Hofstellen
  • von dem Anlegen des Friedhofes
  • vom Ansiedeln handwerklicher Betriebe
  • von der Zerstörung des Rundlings Groß Heide in den letzten Wochen des 2. Weltkrieges
  • und last but noch least von dem Leben in Groß Heide nach dem Krieg.

Ein Buch ist entstanden und entsteht noch immer weiter, um an Ereignisse in und um Groß Heide zu erinnern. Schon deshalb wird es mit vielen Fotos (in schwarzweiß und in Farbe), Karten und Erklärungen versehen sein. Die Chronik von Beate Hennings soll die Groß Heider aber auch alle anderen zum Sammeln anstiften. Hennings will Menschen ermuntern, sich mit ihrem Heimatdorf zu beschäftigen.

Gerade befindet sich Beate Hennings in der Korrektur- und Layoutphase. Es ist noch viel zu tun. Mit dem Lektor geht sie alle Texte noch einmal durch. Zum Jahresende sollen 100 Exemplare gedruckt vorliegen. Da sie sie selbst finanziert, ist die Auflage nur klein. Da muss sich jede und jeder anstrengen, rechtzeitig eine Chronik zu erwerben, damit sie pünktlich auf dem Weihnachtstisch liegt.

Diese Geschichte wird von Beate Hennings erzählt, gelesen und diskutiert im „Archiv der unveröffentlichten Texte“.
Und zwar am 17. Mai um 19:00 Uhr.

(Hutkasse: Wir nehmen keinen Eintritt, hoffen aber, dass diejenigen, die es können, eine Spende ab 5 € pro Person geben.)

Wie immer in Groß Heide, Heider Chaussee 12, in der Gastwirtschaft von Sabine und Elfriede Schulz.

Kommt und hört. Diskutiert mit Beate Hennings und uns die Geschichten aus dem eigenen Dorf und der eigenen Familie. Es freuen sich auf Sie/Euch die Mitglieder des „Archivs der unveröffentlichten Texte“: Antje Busse, Monika Eckoldt, Nina El Karsheh, Dr. Sibylle Plogstedt, Dr. Cora Titz, alle aus Groß Heide.

Wer dem ‚Archiv der unveröffentlichten Texte‘ eigene Arbeiten überlassen will oder an den Schätzen aus dem
Familienbesitz, verfasst von früheren Generationen, teilhaben lassen will, wende sich an: Dr. Sibylle Plogstedt,
Heider Chaussee 7, 29451 Dannenberg. Tel: 05861-9867575, Mail: splogstedt@t-online.de.

Wann?

17.Mai 2019 | 19:00 Uhr